Autor:
Remo Rittiner
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In unserer hektischen Welt suchen viele von uns nach einem Gefühl von Zugehörigkeit – nach einem Ort, an dem wir uns wirklich zu Hause fühlen. Doch was bedeutet es, „anzukommen“? In meinem Interview mit Raphael Bonelli, Psychiater und Psychotherapeut, beleuchten wir die Kunst des Ankommens und die Hindernisse, die uns dabei oft im Weg stehen. Bonelli teilt seine Gedanken darüber, warum es für viele Menschen eine Herausforderung ist, ihren Platz im Leben zu finden und wie wir das Ankommen für uns selbst kultivieren können.

Schau dir das Video an: Wenn du die wertvollen Einsichten aus unserem Gespräch direkt miterleben möchtest, kannst du das vollständige Interview mit Raphael Bonelli hier ansehen. Seine persönlichen Geschichten und Perspektiven bieten inspirierende Anregungen, wie du selbst zu einem tiefen Gefühl des Ankommens finden kannst:

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Die Sehnsucht nach einer „heilen Welt“

Raphael Bonelli spricht über die tiefe Sehnsucht vieler Menschen nach einer Art „heiler Welt.“ In Gesprächen mit seinen Klienten hört er oft den Wunsch, endlich anzukommen – einen Platz zu finden, an dem man sich geborgen fühlt. Bonelli erklärt: „Viele Menschen haben ein starkes Gefühl, eine Art Heimweh, das sie dazu bringt, Heimat zu suchen.“ Selbst wenn wir negative Erfahrungen in der Kindheit gemacht haben, tragen wir oft eine Idealvorstellung in uns. Diese Erinnerungen oder Vorstellungen werden zur inneren Messlatte und zur Quelle unserer Sehnsucht nach einem sicheren Ort, einem Gefühl des Ankommens.

Diese heile Welt, die wir oft suchen, kann sich in vielen Bereichen unseres Lebens widerspiegeln, sei es im Beruf, in der Partnerschaft oder im Glauben. Wie Bonelli betont: „Wir alle haben Erinnerungen von guten Momenten in der Kindheit, die uns das Gefühl von Heimat vermitteln.“

Drei zentrale Bereiche des Ankommens: Beruf, Partnerschaft und Glaube

Das Gefühl des Ankommens beschränkt sich nicht auf einen bestimmten Lebensbereich – es umfasst unser ganzes Leben. Bonelli unterscheidet hier drei wesentliche Bereiche: Beruf, Partnerschaft und Glaube. Diese Bereiche bieten uns die Möglichkeit, uns zu entfalten und unseren Platz zu finden.

  1. Ankommen im Beruf: Dies ist nicht nur eine Frage der Karriere, sondern auch der Berufung. Bonelli spricht von der Wichtigkeit, seine berufliche Berufung zu finden und erklärt, dass das Ankommen im Beruf auch das Gefühl von Sinn und Erfüllung gibt.
  2. Ankommen in der Partnerschaft: Hier geht es darum, die „Kunst des Liebens“ zu erlernen. Eine Partnerschaft bietet die Möglichkeit, mit einem anderen Menschen eine Verbindung einzugehen, die uns Geborgenheit und Vertrautheit schenkt.
  3. Ankommen im Glauben: Bonelli bezeichnet dies als „Ankommen in der geistlichen Heimat.“ Dieser Bereich betrifft unser inneres Streben nach etwas Höherem, das uns Orientierung und Frieden schenkt.

Hindernisse auf dem Weg zum Ankommen: Kopf, Herz und Bauch im Einklang

Bonelli identifiziert zehn Hindernisse, die uns daran hindern, wirklich anzukommen. Diese lassen sich in die drei Bereiche Kopf, Herz und Bauch unterteilen.

  • Hindernisse des Bauches: Hierzu gehören die Neigung zur Lustmaximierung und die Vermeidung von Unlust. Wenn wir uns beispielsweise von kurzfristigen Bedürfnissen wie Alkohol oder Shopping leiten lassen, bleiben wir in oberflächlichen Bedürfnissen gefangen. Bonelli bringt es auf den Punkt: „Der Hedonist würde nie die mittelalterlichen Kathedralen bauen.“ Die Fähigkeit zur Selbstdisziplin und Selbstüberwindung sind hier entscheidend.
  • Hindernisse des Kopfes: Denkfaulheit und Denkverbote hindern uns, tiefer zu reflektieren. Viele Menschen lassen sich heute durch Medien und äußere Meinungen beeinflussen, anstatt selbst zu denken. „Viele Menschen denken heute nicht mehr in die Tiefe,“ sagt Bonelli. Sie folgen oft unbewussten Denkverboten, die ihre eigene Reflexion einschränken.
  • Hindernisse des Herzens: Bonelli spricht hier von einem schwachen Willen, der Bosheit und dem Narzissmus. Diese Aspekte hindern uns, uns anderen Menschen zuzuwenden und echte Verbindungen aufzubauen. Besonders der Narzissmus, der uns glauben lässt, wichtiger zu sein als andere, führt dazu, dass wir nur schwer im Leben ankommen können.

Werte und Tugenden des Herzens: Die Bedeutung des „starken Herzens“

Ein zentrales Thema, das Bonelli in unserem Gespräch beleuchtet, ist das „starke Herz.“ Ein starkes Herz ist nicht nur mutig, sondern auch gerecht und sich seiner Werte bewusst. Es hilft uns, Entscheidungen zu treffen, die nicht allein auf kurzfristiger Lustbefriedigung beruhen. Bonelli beschreibt es treffend: „Nur wenn dieses Herz sich mehr und mehr stärkt, kann ein Mensch wirklich seinen Platz finden.“ Ein starkes Herz gibt uns die Kraft, mit Herausforderungen umzugehen, selbst wenn sie uns Unannehmlichkeiten bereiten.

Hingabe als Schlüssel zur Erfüllung

Das Ankommen im Leben bedeutet auch Hingabe – die Freiheit, sich für etwas zu entscheiden und daran festzuhalten. Bonelli beschreibt diese Hingabe als „Freiheit für“, also die Entscheidung für eine höhere Sache. Anstatt uns nur um unser eigenes Wohl zu kümmern, bringt Hingabe einen Sinn, der über das Ego hinausgeht. „Man kann nicht einfach nur hingeben an die nächste Person, die vorbeigeht,“ betont Bonelli. Es geht darum, die richtige Sache oder die richtigen Menschen für die Hingabe zu wählen und sich mit Herz und Verstand darauf einzulassen.

Wie erkenne ich, dass ich angekommen bin? Eignung, Neigung und Notwendigkeit

Am Ende unseres Gesprächs spricht Bonelli über die Zeichen, die zeigen, dass wir in unserem Beruf oder Leben angekommen sind. Er unterscheidet hier drei Kriterien: Eignung, Neigung und Notwendigkeit.

  • Eignung: Zu wissen, was man gut kann und sich darin weiterzuentwickeln, ist essenziell. Das bedeutet auch, sich kritisch mit den eigenen Fähigkeiten auseinanderzusetzen.
  • Neigung: Oft möchten wir das tun, was uns Freude bereitet. Dies kann jedoch auch von äußeren Einflüssen geprägt sein, und es ist wichtig, den eigenen Neigungen treu zu bleiben.
  • Notwendigkeit: Das Ankommen hat auch mit der Frage zu tun, ob das, was wir tun, für andere nützlich ist. „Das Ankommen im Beruf hat immer etwas mit Notwendigkeit zu tun,“ betont Bonelli.

Die Kunst des Ankommens ist ein fortwährender Prozess, bei dem wir lernen, unsere eigenen Werte und Tugenden zu leben. Wenn wir die Hindernisse erkennen, die uns daran hindern, wirklich anzukommen, und unser Herz stärken, können wir Stück für Stück unseren Platz im Leben finden.

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